26. September 2024

Besuch der Transitgas AG in Ruswil       https://www.transitgas.ch/

21 UNS-Mitglieder und Gäste haben bei garstigem Herbstwetter am Besuch bei der Transitgas AG teilgenommen. In der Leitwarte wurden wir über Geschichte, Funktion und zahlreiche technische Details der Transitgas-Verdichterstation informiert. Die Betriebszentrale ist das Herzstück des unterirdischen Erdgas-Transportsystems, bestehend aus 292 km Erdgasleitung mit mehreren Stollen. Die Transitgasleitung ist das Schweizer Teilstück der Erdgashochdruckleitung, von der Nord- zur Südgrenze der Schweiz, welche die Gasfelder Nordeuropas mit Italien verbindet. Dadurch wird die Schweiz und insbesondere der industrialisierte Norden Italiens mit Gas versorgt.

Die Geschichte der Gasversorgung aus dem Norden in die Schweiz und weiter nach Italien begann 1971 mit der Gründung der Swissgas AG für Erdgas, mit Sitz in Zürich. 1974 konnte die erste, damals 164km lange Transitgasleitung eingeweiht werden. Diese unterquert im Norden den Rhein, bei der Messstation Wallbach, verläuft weiter durch das Schweizer Mittelland Richtung Süden, durchquert in Stollen die Hochalpen und erreicht Italien beim Griespass. Die Verdichterstation in Ruswil steht ungefähr in der Mitte zwischen Deutschland und Italien.

Ab 1974 stieg der Gasbedarf sowohl in der Schweiz als auch in Italien. Einige Anpassungen und Kapazitätserhöhungen waren nötig. Auch weitere Verzweigungen wurden erstellt, z.B. eine 33 km langen Parallelleitung (Loop) zwischen Wallbach und Däniken.

Das bisher grösste Ausbauprojekt wurde von 1997 – 2003 realisiert, inklusive einer zusätzlichen Verbindung im Westen, zum Erdgasnetz in Frankreich. Auch wurden in Ruswil zwei Abwärme-Rückgewinnungsanlagen installiert, um die Abwärme der Gasturbinen für die Strom- bzw. Warmwasseraufbereitung nutzen zu können. Technisch Interessierte finden alle Details über Veränderungen und Ausbauten in der Homepage der Transitgas AG (Link siehe oben).

Im Frühjahr 2017 starteten – nach beinahe 7 Jahren Projektierung, Änderung und Detail-Engineering – die Bauarbeiten des Reverse Flow Projektes. Dieses konnte bereits im Spätherbst 2017 erfolgreich abgeschlossen werden. Durch das Reverse Flow (Gasfluss in Gegenrichtung) konnte die Flexibilität der Gasversorgung erhöht werden, weil dadurch der Betrieb auch Richtung Süd-Nord sowie in alle Richtungen und zu allen Handelsplätzen erfolgen kann.

In der Ruswiler Steuerungs-Zentrale wird im Dreischichtbetrieb gearbeitet, also das ganze Jahr, rund um die Uhr. Von hier werden alle Transporte, Mengen sowie der Gastransportdruck gesteuert. Um einen ununterbrochenen Betrieb garantieren zu können, steht eine Notstromanlage zur Verfügung. Mit dieser kann der Betrieb bei Netzausfall bis drei Monate lang aufrechterhalten werden.

Sämtliche Leitungen werden digital überwacht und unterhalten, d.h. das ganze Leitungssystem wird sporadisch mittels Messmolchen von Ruswil aus untersucht, damit allfällige Beschädigungen, verursacht z.B. durch Hangrutsche, Steinschlag oder sonstige Umwelteinflüsse, rechtzeitig aufgespürt, genau geortet und behoben werden können. Die Messmolche sind komplexe Systeme, batteriegetrieben, die durch den Gasdruck durch die Leitung geschoben werden und die Messresultate speichern. Bei der Entnahme der Molche werden die Daten ausgewertet.

Seit 2022 (Einmarsch der Russen in die Ukraine) ist Erdgas aus Russland tabu und die ursprünglich vier Pipelines durch die Ostsee wurden stillgelegt bzw. Ende September 2022 bei einem Anschlag auf die Nord-Stream-Pipelines durch Sprengungen zerstört. Seither kommt das Gas hauptsächlich aus Norwegen, und es ist eine Zweck- und Interessengemeinschaft unter diversen Ländern entstanden, namentlich Holland, Deutschland, Norwegen, Frankreich, Schweiz und Italien. Der Handel mit dem Gas (mit einer jährlichen Transportkapazität von bis ca. 18 Milliarden Normkubikmeter) läuft über die Gas-Handelsgesellschaften, d.h. die Transitgas AG funktioniert grundsätzlich als Logistiker des Gashandels.

Weil der Energiebedarf nach wie vor weltweit weiter steigt, kommt per Schiff auch Gas (als Flüssiggas) aus den USA und Afrika, dabei müssen allerdings europäische Brenn-Eigenschaftskriterien erfüllt sein, um Verbrennungsprobleme bei den europäischen Verbrauchern zu vermeiden.

Zur Energie der Zukunft dürfte sich Wasserstoff entwickeln, deren Gewinnung bis dato allerdings noch aufwändig und kostspielig ist. Deshalb sind seit Jahren weltweit unzählige Studien in Arbeit, um die Wasserstoffgewinnung sowohl ökologisch als auch ökonomisch zu optimieren.  
 

Wir bedanken uns bei der Transitgas AG für die Gelegenheit das Transitgas-System durch die Schweiz näher kennengelernt zu haben. Besonders danken wir den Herren, die uns informiert, durch das Areal geführt und dabei unsere vielen Fragen kompetent beantwortet haben.

Nachfolgend ein paar Bilder

Die ersten Besucher kommen vor dem Transitgas-Gelände an. Gemäss Wetterbericht soll es heute regnerisch werden und so beginnt kurz vor Führungsbeginn leichter Regen.


In zwei Gruppen, mit Sicherheitswesten und Schutz-Helmen, werden wir durch das Gelände geführt, wo uns zahlreiche technische Funktionen und Details erklärt werden.


Das Aussenareal dient der Veranschaulichung von Leitungssystem- und Wartungseinheiten. In technischen Innenräumen und der Leitzentrale dürfen Besucher leider nicht fotografieren.


Hier erhalten wir einen Eindruck vom System der unterirdisch und in Stollen geführten Gasleitungen (36“ bzw. grösstenteils 48“-Leitungen) durch die Schweiz. 

Text     Anita Herzig
Bilder  Hans Rudolf Rechsteiner