28. August 2024
Besuch im SUVA-Hauptsitz in Luzern https://www.suva.ch/
Die Suva ist mehr als eine Versicherung – sie vereint Prävention, Versicherung und Rehabilitation. Darüber wollten wir vor Ort mehr erfahren. Nachfolgend finden Sie einen verkürzten Bericht aller Informationen, welche wir während eines Referats von Generalsekretär Marc Epelbaum mit anschliessender Führung durch das Gebäude von Markus Trüeb erhalten haben.
So entstand die Suva
Im Zuge der Industrialisierung veränderten sich auch die Bedürfnisse und Notwendigkeiten für Versicherungen. In Deutschland wurden bereits 1882 ein Krankenversicherungs- und 1884 ein Unfallversicherungsgesetz erlassen. In jener Zeit hatten Schweizer Betriebe lediglich eine Haftpflichtversicherung, was natürlich unbefriedigend war. Ergo wurde 1889 ein erster Gesetzesentwurf für ein neues Schweizer Kranken- und Unfallversicherungsgesetz ausgearbeitet und vom Parlament nach intensiver Beratung einstimmig angenommen. In der Volksabstimmung am 20. Mai 1900 scheiterte die sogenannte «Lex Forrer» jedoch deutlich. Vier Jahr später nahm der Bundesrat einen neuen Anlauf. Dieses Unfallversicherungsgesetz, mit der Suva als BU- und NBU-Versicherer, wurde allerdings erst 1912 vom Stimmvolk knapp angenommen, denn andere Versicherer und Interessengruppen kämpften jahrelang mit Referenden gegen die zu gründende Suva. Bahn- und Post-Angestellte hatten damals bessere Leistungen, die durch eine Abmachung des zuständigen Bundesrats Comtesse beibehalten wurden. Erst nach der Abstimmung wurde dies bekannt, und die Suva musste diese Regelung übernehmen.
Allen Widerständen und den damaligen Kriegswirren zum Trotz konnte die Suva, als grösste Unfallversicherungsgesellschaft der Schweiz, ihre gesetzlich vorgegebene Aktivität im Jahr 1918 aufnehmen. Seither kennt man die Suva, weil die meisten Schweizer Betriebe gemäss Gesetz bei der Suva für BU (Berufsunfälle), NBU (Nichtberufsunfälle) und Berufskrankheiten versichert sein müssen. In die Suva integriert sind seit 2005 auch die Militärversicherung sowie der Versicherungsschutz für Arbeitslose. Für Kunden gibt es an 18 Standorten Suva-Agenturen. Rund 3500 Mitarbeitende sind für die Suva tätig, zusätzlich 1200 in den Reha-Kliniken.
Aktuell sind 136'610 Betriebe, mit rund der Hälfte aller Arbeitnehmenden in der Schweiz (rund 2.2 Millionen Personen), bei der Suva versichert. Und gemäss jährlichen Umfragen beträgt die Kundenzufriedenheit seitens der Betriebe 81 %.
Suva für Prävention, Versicherung, Reha
Intensiv engagiert sich die Suva in der Unfallprävention und das mit Erfolg. Verunfallte 1918 noch jede dritte Person, war es 2023 noch jede elfte Person. Seit 1970 haben sich die Anzahl Unfälle am Arbeitsplatz um rund die Hälfte reduziert. Allein innerhalb der letzten 10 Jahre verringerten sich Unfälle und Berufskrankheiten um rund 10 %, was zum Teil auf neue Technologien in der Arbeitswelt zurückzuführen ist, aber auch auf die Präventionstätigkeit sowie Sicherheitskontrollen durch Suva-Expertinnen und -Experten, welche in den Betrieben die Einhaltung von Unfall-Verhütungsvorschriften sporadisch prüfen.
Im Zuge laufender Optimierung von Arbeitsabläufen wurde das System der Suva-Schadenmeldungen vollständig digitalisiert, d.h. klare Fälle werden vom System automatisch erkannt und angenommen. Die persönliche Betreuung bei komplexen und schweren Fällen ist aber bei aller Digitalisierung nach wie vor ein zentraler Bestandteil für eine erfolgreiche Wiedereingliederung. Gegenüber Versicherungsbetrug verfolgt die Suva eine Null-Toleranz-Politik und geht konsequent dagegen vor. So wurden beispielsweise im Jahr 2023 ungerechtfertigt berechnete Kosten von über 30 Millionen Franken eingespart.
Obwohl die Kosten im Gesundheitswesen seit Jahren steigen, gelingt es der Suva dank des aktiven Schadenmanagements, die Zunahme für den Aufwand pro Fall mit 0,4 Prozent Steigerung relativ tief zu halten Die Suva ist nicht gewinnorientiert und gibt Überschüsse in Form von tieferen Prämien an ihre Versicherten weiter. So wurde der Werkplatz Schweiz seit sechs Jahren mit 2,7 Milliarden Franken (2019–2024) entlastet. Die Anlageperformance betrug 2023 4.8%.
Im Jahr 2023 wurden insgesamt rund 495'000 Versicherungsfälle (inkl. Berufskrankheiten) registriert. Davon zählten 186'000 zu Berufs- und 292'000 zu Nichtberufsunfällen, was bedeutet: In der Freizeit passieren seit Jahren mehr Unfälle als am Arbeitsplatz. Spitzenreiter waren mit 36 % aller NBU-Fälle auf Sport und Spiel zurückzuführen, 28 % auf Haus und Garten, 20 % auf Wandern, Reisen und Ausgehen.
Bei Unfällen greift die Suva aktiv in den Heilungsprozess ein, wenn es um die Zuweisung an Ärzte und Spezialisten geht. 90 % aller Verunfallten können in die Arbeitswelt zurückgeführt werden. In den Reha-Kliniken in Bellikon und Sion stehen 380 Betten und 1200 Mitarbeitende zur Verfügung. Schwer Verunfallte werden in diesen Kliniken gepflegt und bis zur Wiederaufnahme der bisherigen Tätigkeit aufgebaut und trainiert. Sofern die bisherige Tätigkeit nicht mehr möglich ist, können schwer Verunfallte in den Reha-Zentren auch beruflich umgeschult werden. Die primäre Rolle der Wiedereingliederung liegt im schweizerischen Sozialversicherungssystem bei der Invalidenversicherung (IV). Es gibt jedoch Verunfallte, die keinen Anspruch auf Eingliederungsmassnahmen der IV haben. In diesen Fällen bietet die Suva Arbeitgebenden zwei Möglichkeiten: Einerseits übernimmt sie in solchen Fällen mit der Eingliederung verbundene Kosten bis zu 20 000 Franken, z. B. für Anpassungen des Arbeitsplatzes oder Ausbildungskurse. Andererseits honoriert die Suva den bisherigen oder den potenziell neuen Arbeitgebenden für die Schaffung des dauerhaften Schonarbeitsplatzes mit bis zu 20 000 Franken.
Prämien, Finanzen, Anlagen
Dank günstiger Versicherung, umfassenden Leistungen und tiefen Verwaltungskosten spart die Suva indirekt viel Geld für die Schweizer Volkswirtschaft. Die Suva wird nicht subventioniert und wirtschaftet selbsttragend. Investitionen und Leistungen werden aus eigenen Mitteln finanziert und auch die beiden Reha-Kliniken in Bellikon und Sion werden finanziell selbsttragend betrieben. Die Suva zahlt – im Gegensatz zu anderen Versicherungen – weder Prämien für Akquisitionen noch Dividenden. Laufende Versicherungsleistungen werden durch Prämien finanziert, d.h. Prämieneinnahmen und Ausgaben werden in Balance gehalten. Zudem pflegt die Suva eine sehr vorsichtige Anlagepolitik. Das bestehende Anlagevermögen sowie die Anlageerträge sind vollständig zweckgebunden. Zwecks Sicherung der finanziellen Stabilität benötigt die Suva Rückstellungen für Leistungen und Eigenmittel.
Suva-Hauptsitzgebäude
Durch das stattliche Gebäude, erbaut von Mai 1914 bis Dezember 1915, führt uns Markus Trüeb. Damals standen mehrere Grundstücke in der Stadt Luzern zur Auswahl, bis man sich für den heutigen Standort entschied. Es wurde ein Architekturwettbewerb durchgeführt, bei dem das Projekt «Wahrzeichen» der Gebrüder Pfister gewann. Die markante Kuppel lehnte sich an andere repräsentative Bauten (Bundeshaus, Bahnhof, Hotels). Aufgrund der Kriegswirren musste allerdings die Eröffnung immer wieder hinausgeschoben werden. Erst am 1. April 1918 konnte der Versicherungsbetrieb aufgenommen werden.
Der erste Verwaltungsrat wurde bereits 1912 gewählt, nach Annahme des damals neuen Unfallversicherungsgesetzes. Was dabei erstaunt: Schon damals wurden zwei Frauen in den Rat gewählt, wovon eine ihr Amt 36 Jahre lang innehatte, also bis 1948. Noch heute ist der Suva-Rat sozialpartnerschaftlich breit abgestützt, um in allen Entscheidungen tragfähige Lösungen zu finden. Im Rat sitzen Arbeitgeber:innen, Arbeitnehmer:innen sowie Vertreter:innen des Bundes.
Das Verwaltungsratszimmer ist riesengross. Reich verzierte Holzwände und eine wunderschöne Kassettendecke sowie Kantons-Wappenscheiben an den Fenstern schmücken den Raum.
Im Laufe der Jahre stieg die Anzahl Versicherter, dadurch auch der Suva-Personal- und Platzbedarf. Deshalb entstand 1968 ein erster grosser Erweiterungsbau hinter dem Hauptgebäude und später mussten wiederholt Erweiterungsbauten erstellt werden. In den 1990-er-Jahren wurde im Hauptgebäude der Innenraum und das Treppenhaus saniert, bis hinauf zum Kuppelraum.
Nachfolgend ein paar Bilder
Generalsekretär Marc Epelbaum informiert uns über Geschichte, Tätigkeiten, Fakten und Zahlen der Suva.
UNS-Mitglieder sowie eine Praktikantin der Suva hören den Informationen von Marc Epelbaum aufmerksam zu.
Das Suva-Hauptgebäude, an der Fluhmattstrasse 1, thront über der Stadt Luzern, mit phänomenaler Sicht über weite Teile der Stadt, die umliegenden Berge und den See.
Empfangshalle mit Treppenhaus und zwei Personenliften (unter grosser Wanduhr), wo sich historische Bauteile und modernste Infrastruktur begegnen.
Markus Trüeb (zweiter von rechts) führt uns durch die wichtigsten Gebäudeteile (hier auf der Terrasse über dem Innenhof) und informiert uns über historische Details der Suva, die damalige Baugeschichte, seither erfolgte Veränderungen und Erweiterungen sowie über teils recht amüsante Anekdoten aus der über hundertjährigen Suva-Geschichte.
Auf diesem alten Bild sehen wir den Verwaltungsratssaal (linke Bildseite), der sich seit der Eröffnung kaum verändert hat, aber mit modernster Technik aufgerüstet wurde. Hier tagte der SUVA-Verwaltungsrat bereits ab 1915. Bemerkenswert: Seit jeher (1912) sassen auch Frauen im Suva-Verwaltungsrat.
Ein langer Gang im obersten Bürogeschoss führt uns vorbei an zahlreichen Büros. Gut sichtbar ist das über 100-jährige Gebälk dem Gang entlang bis zum Verwaltungsrats-Saal.
Vom obersten Büro-Geschoss gelangen wir über eine Treppe zum Kuppelraum (ca. 18 x 18 Meter). Von hier führt eine schmale Holz-Wendeltreppe bis zum obersten Punkt der Kuppel.
Kritik, Satire und Spott gab es schon immer. Hier eine ironische Skizze im Zusammenhang mit dem neuen Versicherungsgesetz, bei der auch ausländerfeindliche Aspekte einflossen und die Entwicklung der «finanziellen Volksbelastung» aufs Korn genommen wird.
Nicht alle hatten Freude an der Gründung einer Schweizerischen Unfallversicherung. Gegner befürchteten das totale Unfall-Monopol und warben für ein Abstimmungs-Nein. Das Volks-Ja folgte in der darauffolgenden und zweiten Abstimmung im Jahr 1912.
Text Anita Herzig
Bilder René Lang