25. November 2021Polizeischule Hitzkirch

IPH - Interkantonale Polizeischule Hitzkirch  https://www.iph-hitzkirch.ch/

Dem Konkordat der interkantonalen Polizeischule Hitzkirch sind 11 Deutschschweizer Kantone angeschlossen (Bern, Aargau, Baselstadt, Baselland, Solothurn und alle Zentralschweizerkantone). Bei der Schule handelt es sich um eine öffentliche rechtliche Anstalt, welche durch die öffentliche Hand getragen wird, d.h. die 11 angeschlossenen Kantone finanzieren den Ausbildungsbetrieb. Das Konkordat der Polizeischule Hitzkirch besteht seit 2007. Hitzkirch wurde gewählt, weil die nötige Infrastruktur des ehemaligen Lehrerseminars im Campus, mit ***Seminarhotel und einem Wohnhaus für Aspiranten, bereits vorhanden war. Im Campus befindet sich nebst der Verwaltung auch eine grosse Aula, Seminarräume für den theoretischen Unterricht sowie der Ausbildungsbereich Sport (mit Schwimmbad, Doppelturnhalle, Sportplatz). Zum Aus- und Weiterbildungszentrum gehört nebst dem Seminar-Campus im Dorf auch das externe Trainingszentrum Aabach. Letzteres besuchten wir am 25. November, unter Führung von Urs Winzenried.

Früher bildete jeder Kanton seine Polizisten selber aus. Heute sind es noch 5 regionale Standorte (Zürich, Ostschweiz, Romandie, Tessin und Hitzkirch), an denen Schweizer Polizisten und Polizistinnen nach einheitlichem Lehrplan ausgebildet werden. In Hitzkirch werden seit 2007 jährlich rund 300 Polizistinnen und Polizisten aus den 11 Konkordatskantonen ausgebildet. Der Frauenanteil im Polizeiberuf bewegt sich um 25 % – Tendenz zunehmend zu einem Drittel. Aus städtischen Regionen ist der Frauenanteil auffallend höher als aus ländlichen Regionen. An der Polizeischule werden auch die SBB-Transportpolizisten ausgebildet – nach dem gleichen Lehrplan, wie alle andern, obwohl sie später in der Praxis nicht die gleichen Kompetenzen erhalten.

Wer die Chance erhält, die Polizeischule zu besuchen, bestimmt jeder Kanton selber, denn die jungen Leute werden während der gesamten Ausbildungszeit vom Kanton angestellt und, je nach Region und bisherigem Ausbildungs- und Berufsweg, mit monatlich ca. 4800 bis gegen 5500 Franken entlöhnt. Voraussetzungen sind: Schweizer Bürger, abgeschlossene Maturität oder Berufslehre, Militärdienst (abgeschlossene RS), tadelloser Leumund (keine Strafregistereinträge), Mindestgrösse Männer 170, Frauen 160 cm, Mindestalter 20 Jahre.

Ein Höchstmass an Disziplin wird allen Aspirantinnen und Aspiranten bereits während der Ausbildung strikte abverlangt. Anfänglich müssen die jungen Leute manchmal ermahnt werden oder dann gibt es Einzelheiten, die gar nicht geduldet werden. Ein paar Beispiele: Weil Polizisten im Dienst (genauso im Training) unter ihren Jacken schwitzen, müssen z.B. die Hemden regelmässig gewechselt werden. Ein gepflegter Bart wird geduldet, nicht aber 3 oder gar 4 Tage unrasiert erscheinen. Auf einen gepflegten Haarschnitt muss geachtet werden. An Fussgängerstreifen muss die Vorbildrolle eingehalten werden. Ein No-Go für Polizistinnen und Polizisten sind sichtbare Tätowierungen an Gesicht und/oder Hals. Und last but not least: Wer während elektronisch durchgeführten Prüfungen mogelt, fliegt innerhalb einer Stunde von der Schule, denn auch vermeintlich geringe Vergehen Richtung Betrug, sind für angehende Polizisten inakzeptabel.

Der Polizeiberuf ist extrem vielseitig, interessant, abwechslungsreich und es geht immer um den Dienst am Menschen. Dazu kommen als wichtige Elemente die Teamarbeit (Polizisten agieren immer zu zweit), diverse Entwicklungsmöglichkeiten, eine sichere Staatsstelle bei gutem Lohn.

In Hitzkirch beginnen im Frühjahr und Herbst Ausbildungslehrgänge, mit jeweils rund 150 Aspirantinnen und Aspiranten. Diese werden von erfahrenen Berufskolleginnen und -Kollegen geschult und trainiert. Hierfür werden von den Kantonen jene als Lehrerinnen/Lehrer teilzeitlich an die Polizeischule delegiert, welche die Ausbildung am besten abgeschlossen hatten. Das ist günstiger, als professionelle Ausbildner und hat zudem den Vorteil, dass fertig Ausgebildete die praktische Seite des Berufes wirklich kennen und deshalb glaubwürdiger lehren als reine Theoretiker. Lediglich für die Rechtsausbildung (schweregewichtig Strafrecht, Strafprozess, Strassenverkehrsrecht, Betäubungsmittelrecht, teils auch ZGB und OR) werden Juristen und für den Sprachunterricht (Deutsch) externe Dozenten angestellt. Deutsch ist Schwerpunktfach, weil ein Polizeirapport immer auch zur Weitergabe an Staatsanwälte und Gerichte taugen muss.

Sämtliche Ausbildungsfächer und Trainings unterliegen dem Motto: «Kopf – Herz – Hand!» Ein wichtiger Leitsatz der Polizei, der auch an der IPH vermittelt wird, lautet: «Das Wort ist die beste Waffe». Trainiert werden in Aabach alle nur denkbaren Einsätze, z.B. auf einem grossen Aussenareal mögliche Einsätze bei Verkehrsunfällen aller Art. Weiter gibt es eine grosse dorfähnliche Umgebung mit mehreren Liegenschaften. Dabei werden alle erdenklichen Einsätze und das richtige Verhalten geübt, z.B. vor, während oder nach einem Einbruch in ein Einfamilienhaus, unterschiedliche Einsätze in einem Mehrfamilienhaus, einem Shop oder auch vor, während oder nach einem Banküberfall. Trainiert wird nach realitätsnahen Situationen unter Mitwirkung von Laienschauspielern (vorwiegend mit Leuten aus der Region). Die einzelnen Rollen/Verhaltensweisen werden vorgängig mit den Schauspielern abgesprochen, während das eingesetzte Polizei-Aspirantenpaar die Rollen der Akteure nicht kennt. Solche Einsätze werden durch andere Aspirantinnen und Aspiranten beobachtet. Das anschliessende Feedback zum Einsatz, was gut war bzw. anders/besser/erfolgreicher hätte gemeistert werden können, geben die Beobachter-Kolleginnen und Kollegen. Diese Feedback-Taktik erhöht den Lerneffekt, weil Kritik aus den eigenen Reihen viel mehr unter die Haut geht als von Dozenten.

Für Trainings zur Benützung der Schusswaffe stehen drei Schiesskeller mit schalldichten Decken und Wänden zur Verfügung. Hier wird das Schiessen zwischen zwei und zehn Metern Distanz geübt. Gedrillt wird für den Einsatz der Schusswaffe das möglichst richtige Reagieren in extremen Stresssituationen, in denen blitzartig entschieden werden muss:
Darf ich schiessen? (grundsätzliche rechtliche Frage)
Kann ich schiessen (Situation, Umgebung, Gefährdung anderer Personen etc.)
Muss ich schiessen (z.B. ausser Gefecht setzen eines Amok-Läufers).

Bei Schiessübungen wird nebst der Zielgenauigkeit auch mit Videofilmen trainiert, um anhand möglichst realistischer Szenen mit der natürlichen Hemmung umzugehen und zu lernen, notfalls mit einer Schusswaffe auf «lebende» Menschen zu zielen und notfalls tatsächlich abzudrücken. Nach einem Schuss bleibt der Film stehen, damit die genaue Einschussstelle sichtbar wird. Solche Trainings wirken sich psychisch – insbesondere während und nach den ersten Übungen – teils sehr belastend auf die jungen Leute aus. Deshalb werden Schiesstrainings wöchentlich zwei- bis dreimal durchgeführt.

Nachfolgend ein paar Eindrücke mit Bildern:


Urs Winzenried informiert uns über die Organisation der Polizeischule und alles Wissenswerte über Ausbildung und Beruf von Polizistinnen und Polizisten. Winzenried war bis zu seiner Pensionierung als Dozent für Recht an der IPH tätig. An dieser Stelle nochmals herzlichen Dank für die eindrückliche Führung und die umfangreichen Informationen!


15 UNS Mitglieder und Gäste nehmen am Besuch der Polizeischule teil. Die geringe Beteiligung dürfte auf die Corona-Pandemie zurückzuführen sein. Aus dem gleichen Grund war der ordentliche Polizeischulbetrieb fast ¾ Jahre geschlossen, d.h. es fand nur Fernunterricht statt, ohne Schiessübungen und Nahkampfausbildung.


In dieser Halle werden Selbstverteidigung und Nahkampf trainiert und zwar soweit möglich als gemischte Paare, d.h. Mann gegen Frau und umgekehrt, um geschlechterspezifische Hemmungen abzubauen. Zwischen männlichen und weiblichen Aspiraten gibt es grundsätzlich keine Ausbildungsunterschiede; Frauen werden nicht geschont. Sie absolvieren lediglich etwas weniger körperliche Krafttrainings.


Zu den Trainings gehört der Umgang mit der Geräte-Grundausrüstung von Polizistinnen und Polizisten, d.h. mit Handschellen, Pfefferspray, Schlagstock, Messer und gepolstertem Handschuh (v.l.). Geübt werden beispielsweise Intervention bei Streitigkeiten, Umgang mit dem vielseitig nutzbaren Schlagstock, Verteidigung bei Attacken aller Art, Angreifer bezwingen und unter schwersten Bedingungen in Handschellen legen usw.


Im Nahkampf wie auch bei Festnahmen oder beim Schiessen wird gelehrt, welche Körperzonen wegen möglicher schwerer Verletzungs- oder gar Tötungsfolgen für die Polizei tabu sind. Die Grafik mit grün, gelb oder rot gefärbten Körperteilen signalisiert, welche Körperzonen im Nahkampf oder bei Festnahmen wie und in welcher Art zu schonen sind. Gelb ist markiert, wo Gewalt zu vermeiden ist und rot sind absolute Tabuzonen für jegliche Gewaltanwendung und beim Schiessen.  


In diesem imitierten Tankstellenshop mit Warenregal, Café-Bar und Kassabereich werden zu Beginn der Ausbildung einfache Einsätze geübt (immer zu zweit, meistens Mann und Frau gemischt), z.B. nachdem der Polizei die Anwesenheit einer verdächtigen Person im Shop gemeldet wurde. Später werden auch Einsätze während oder nach einem Diebstahl oder einen Raubüberfall mit flüchtenden Tätern trainiert. Feedback zu jeder Einsatzübungen geben Kolleginnen und Kollegien, die das Geschehen beobachten.

Text     Anita Herzig
Bilder  Prisca Widmer